Von Boniface Mabanza
Diese Frage kann anhand der Geschichte von Joseph-Albert Kardinal Malula, Kardinal von Kinshasa, Demokratische Republik Kongo, beantwortet werden.
Er war als charismatischer und begnadeter Redner bekannt und spielte eine zentrale Rolle im Bemühen um Unabhängigkeit des Kongo. Das II. Vatikanische Konzil kam für ihn sehr gelegen. Als er 1959 zum Weihbischof von Kinshasa ernannt wurde, versprach er, alle Kräfte dafür zu mobilisieren, eine kongolesische Kirche in einem kongolesischen Staat zu gründen, eine Kirche, die vom Volk nicht als aufgezwungen empfunden wird, sondern als eine eigene Kirche getragen wird.
Malula nahm am II. Vatikanischen Konzil teil. Dieses Ereignis verglich er mit der Revolution des Kopernikus. Er sah im Konzil eine Bestätigung seiner Gedanken über die Stellung der Frauen und der Laien in der Kirche, über den Wert afrikanischer Traditionen und über die Rolle der Kirche in der Welt. Malula begann schnell, seine Ideen umzusetzen und scheute dabei auch keine Konflikt, auch nicht als er vor allem unter Papst Johannes Paul II. feststellen musste, dass die Öffnung der Kirche nun doch nicht mehr so erwünscht war, wie das während des Konzils formuliert worden war. Er ermutigte seine afrikanischen Mitbrüder, die Angst – auch vor dem Verlust materieller Vorteile – abzulegen und in Freiheit zu sprechen, um den eigenen Beitrag zum Aufbau einer Kirche zu leisten, die die lokalen Kontexte mit ihren Herausforderungen ernst nimmt. Politisch nahm er den Kampf gegen die Militärdiktatur an und musste dafür ins Exil gehen. Er ging nach Rom, aufgrund seiner mutigen Haltung gegenüber der Amtskirche konnte dieser Aufenthalt nicht wirklich in guter Erinnerung bleiben.
Malula setzte sich für die Anerkennung des kongolesischen Ritus, der afrikanischen traditionellen Hochzeit und vor allem für die Notwendigkeit ein, Laien in Führungsverantwortung von Pfarreien einzubinden. Als 1997 die römische Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester veröffentlicht wurde, sahen viele Beobachter u. a. Malulas Erbe im Visier. Für ihn selbst war diese Einsetzung der Laien nichts anders als eine konkrete Umsetzung der Theologie des Konzils in Bezug auf die Laien. Malula ging es um die Beteiligung am Dienst des Gottesvolkes und an der Veränderung der Welt.
In diesem Zusammenhang nahm Kardinal Malulu großen Einfluss auf die Gestaltung des Theologiestudiums an der theologischen Fakultät in Kinshasa. Malula legte Wert darauf, dass die Laien darauf vorbereitet werden, als volle Mitglieder der Kirche Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen und die Gesellschaft gemäß dem befreienden Evangelium mitzugestalten. Und die Priester sollten keine Sonderpositionen innehaben, sondern in die Gesellschaft integriert sein. Dazu sollte eine Ausbildung dienen, die offen gestaltet wird und darauf vorbereitet, die Gesellschaft in all ihren Facetten, in ihrer Komplexität und ihren Konflikten zu verstehen, um ihr besser dienen zu können.
Kardinal Malula kämpfte für ein afrikanisches Konzil und wurde bei der Eröffnung der ersten römischen Synode für Afrika als ein Vater der afrikanischen Kirche und einer der größten Verfechter der Idee eines afrikanischen Konzils zu Etablierung eines afrikanischen Christentums in Erinnerung gerufen. Aber es fand eine römische Synode für Afrika statt, deren Eröffnung zwar in Afrika, der größte Teil der Treffen aber in Rom stattfanden. Glücklich wäre Malula damit nicht gewesen, auch nicht darüber, dass nach seinem Tod, wie nach dem Tod oder der Pensionierung vieler Bischöfe seiner Generation, die das II. Vatikanische Konzil getragen hatten, das vom römischen Amt definierte Profil für Bischofsernennungen als Mittel der Kirchenpolitik dafür gesorgt hat, dass sich der Schatten des Vergessens über das Konzil gelegt hat. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass mit dem Tod Malulas, einem der Propheten des Konzils in Afrika und im Kongo, im Jahr 1989 auch der Geist des Konzils zum Stillstand gekommen ist und die kirchliche Entwicklung den Rückwärtsgang eingelegt hat, nicht nur in der Kirchenleitung, sondern auch im Bereich des Theologiestudiums und der Ausbildung und der Beteiligung der Laien. Man muss kein Prophet sein, um dies zu bedauern: Mit seinem Propheten starb auch der Geist des Konzils…