Am heutigen Freitag, den 13. November 2015, empfing Papst Franziskus den Jesuiten Jon Sobrino in der Casa Santa Marta mit den Worten: „Schreib weiter!“. Jon Sobrino nimmt zur Zeit auf Einladung des Institut für Theologie und Politik und der USG/UISG an der Versammlung „Katakombenpakt erinnern und erneuern“ in Rom teil.
Nach Leonardo Boff und Gustavo Gutiérrez ist dies damit das dritte Treffen von Papst Franziskus mit einem lateinamerikanischen Befreiungstheologen. Damit ist wohl deutlich, dass der Vatikan die Befreiungstheologie nach langen Jahren der Verunglimpfung und Ausgrenzung rehabilitiert hat.
Die theologische Linie von Franziskus: seine Kritik der mörderischen Weltwirtschaft und seine Reformbemühungen um eine Kirche, die „das menschliche Leben an[nimmt], indem sie im Volk mit dem leidenden Leib Christi in Berührung kommt“ (EG 24), liegt ganz auf der Linie der Befreiungstheologie.
Angesichts der Probleme der Welt wie den Millionen Flüchtlingen, dem Auseinanderklaffen von Arm und Reich, der Umweltverwüstung hat die Kirche tatsächlich nur eine Zukunftsberechtigung, wenn sie im Sinne der Befreiungstheologie eine praktische Hoffnung für die Welt ist. Die TeilnehmerInnen der Tagung „Katakombenpakt erinnern und erneuern“ begrüßen deshalb das Treffen zwischen dem Papst und Jon Sobrino.
Jon Sobrino gehört zu den profiliertesten Kritikern des Vatikans unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Anläßlich der lateinamerikanischen Bischofskoferenz in Aparecida 2007 kritiserte er die redaktionellen Eingriffe der Kurie, die die Bedeutung der Basisgemeinden herunterspielten. Außerdem schrieb er in einem fiktiven Brief an seinen ermordeten Mitbruder Ignacio Ellacuria: „Der objektive Konflikt mit den Mächtigen, keine abstrakte allgemeine Verfügbarkeit, hat Jesus ans Kreuz gebracht. Das zu ignorieren, führt zu schlimmen Konsequenzen; denn es verführt dazu zu denken, dass wir auch heute die Sendung ohne schwerwiegende Konflikte realisieren könnten.“
Im gleichen Jahr versuchte ihn der Vatikan mit einer Notification zum Schweigen zu bringen, in der einzelne Thesen seiner Bücher verurteilt wurden. Jon Sobrino unterschrieb diese Notification nicht.
Dass Papst Franziskus ihn nun ermutigt hat, sich nicht von lehramtlicher Zensur einschüchtern zu lassen, ist zu verstehen als eine respektolle Anerkennung der theologischen Arbeit Sobrinos auf der einen Seite und eine direkte Unterstützung der Befreiungstheologie durch den Papst auf der anderen Seite. Diese Positionierung ist ein Bruch mit dem verurteilenden Umgang mit der Befreiungstheologie in den beiden vorangegangenen Pontifikaten.