Am 11.04. hat Franziskus die Durchführung eines heiligen Jahres angekündigt. Worum geht es in dieser Verkündigungsbulle, dass die Eröffnung eine „heiligen Jahres“ für den 08. Dezember erklärt?
Es handelt sich sicher nicht um eine weitere Selbstinszenierung der römisch-katholischen Hierarchie. Ganz im Gegenteil. Es ist der Versuch, der römisch-katholischen Kirche ihr ureigenstens Thema zurückzugeben, der Versuch, allen KatholikInnen ihre Katholizität in Erinnerung zu rufen und sie an der Mitarbeit daran aufzufordern. Es soll ein „AUSSERORDENTLICHES JUBILÄUMS DER BARMHERZIGKEIT“ werden: Jesus Christus sei das Antlitz der Barmherzigkeit Gottes. Diese Barmherzigkeit ist eben nicht etwas unserem Glauben zusätzliches, sondern ihr Kern, ihr Wesen. Und sie ist nicht etwas, das zu unserem Leben dazutritt, als Mildtätigkeit, als Gutmenschentum, als Moral. Barmherzigkeit muss sich konkretisieren – und sie muss die Welt verändern: den Gefangenen Befreiung verheißen. Und damit ja kein religiös, spirutalisierendes Mißverständnis aufkommt: Unsere Barmherzigkeit muss Schluss machen mit Menschenhandel, moderner Sklaverei. Unter Verweis auf Jesaja: Eine Zeit des Gebetes und des Fastens ist auch die Zeit der Nächstenliebe. Wieder kein Menscheln, keine bloße Moral oder Mildtätigkeit, sondern Gerechtigkeit schaffen. Das heißt doch wohl, Hunger und Krieg, Umweltzerstörung bekämpfen. Franziskus entlässt uns nicht in die Wärme kirchlicher Selbstzufriedenheit und Bigotterie, er fordert zum politischen Engagement auf! Und er erinnert mit der Eröffnung des heiligen Jahres am 8. Dezember ganz bewußt an das II. Vatikanische Konzil, den Versuch des Aufbruchs der Kirche in die Welt von heute.
Hier einige Auszüge aus der Bulle:
1. Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters. Das Geheimnis des christlichen Glaubens scheint in diesem Satz auf den Punkt gebracht zu sein. In Jesus von Nazareth ist die Barmherzigkeit des Vaters lebendig und sichtbar geworden und hat ihren Höhepunkt gefunden. Der Vater, der voll des Erbarmens ist (Eph 2,4), der sich Mose als barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue (Ex 34,6) offenbart hatte, hat nie aufgehört auf verschiedene Weise und zu verschiedenen Zeiten in der Geschichte seine göttliche Natur mitzuteilen.
4. Ich habe den 8. Dezember als Eröffnungstermin gewählt, weil er eine große Bedeutung in der jüngsten Kirchengeschichte hat. Ich werde nämlich die Heilige Pforte genau fünfzig Jahre nach dem Ende des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils öffnen. Die Kirche spürt das Verlangen, diesen Moment lebendig zu erhalten. Für sie begann damals ein neuer Weg in ihrer Geschichte. Die Konzilsväter hatten stark wie ein wahres Wehen des Geistes die Notwendigkeit verspürt, zu den Menschen ihrer Zeit in einer verständlicheren Weise von Gott zu sprechen. Mauern, die die Kirche allzu lange in einer privilegierten Festung eingeschlossen hatten, wurden eingerissen, und die Zeit war gekommen, um das Evangelium auf neue Weise zu verkünden. Eine neue Etappe der immer anstehenden Evangelisierung hatte begonnen. Eine neue Verpflichtung für alle Christen, mit verstärktem Enthusiasmus und voller Überzeugungskraft Zeugnis für ihren Glauben
abzulegen. Die Kirche spürte die Verantwortung, in der Welt das lebendige Zeichen der Liebe des Vaters zu sein.
16. Im Lukasevangelium finden wir einen weiteren wichtigen Aspekt, der hilft, das Jubiläum im Glauben zu leben. Der Evangelist berichtet, wie Jesus nach Nazareth zurückkehrt und, wie es Brauch war, am Sabbat in die Synagoge ging. Sie baten ihn aus der Schrift vorzulesen und diese auszulegen. Es handelte sich um den Abschnitt aus dem Propheten Jesaja, wo es heißt: Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (Jes 61,1-2). Ein Gnadenjahr des Herrn ist es, das vom Herrn verkündet wird und das wir leben wollen. Dieses Heilige Jahr bringt den Reichtum der Sendung Jesu mit sich, so wie es in den Worten des Propheten anklingt: den Armen ein Wort und eine Geste des Trostes bringen, denen, die in den neuen Formen der Sklaverei der modernen Gesellschaft gefangen sind, die Freiheit verkünden, denen die Sicht wiedergeben, die nicht mehr sehen können, weil sie nur noch auf sich selbst schauen, denen die Würde zurückgeben, denen man sie geraubt hat. Die Verkündigung Jesu wird in der Antwort aus dem Glauben erneut sichtbar werden, d.h. im Lebenszeugnis, das die Christen gerufen sind zu geben. Dabei begleitet uns das Apostelwort: Wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig (Röm 12,8).
17. … Die Abschnitte des Propheten Jesaja können dann noch konkreter betrachtet werden in dieser Zeit des Gebetes, des Fastens und der Nächstenliebe: Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. Wenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemand verleumdest, dem Hungrigen dein Brot reichst und den Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag. Der Herr wird dich immer führen, auch im dürren Land macht er dich satt und stärkt deine Glieder. Du gleichst einem bewässerten Garten, einer Quelle, deren Wasser niemals versiegt (Jes 58,6-11)
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