„Das Ende der europäischen Vorherrschaft macht den Prozess der Rezeption des Konzils selbst komplizierter, aber auch reicher. Das tridentinische „Modell“, das in der katholischen Kirche vierhundert Jahre Geltung hatte, erscheint eben wegen der universalen und reichgegliederten Gestalt, welche die Kirche im Zweiten Vatikanum angenommen hat, unangemessen. Es war gerade der Historiker des Tridentinums, der zum Abschied seiner Tätigkeit als Hochschullehrer im Juli 1965 in einer Rede an seine jungen Hörer sagte: „Sie haben das Glück, eine große Wende der Kirchengeschichte mitzuerleben, einen neuen Anfang, wie ihn die Kirche wohl seit Jahrhunderten nicht gemacht hat.“ (Anmkg.: H. Jedin, Tradition und Fortschritt in der Kirche, in: Echo der Zeit, 15. August 1965.)
Die Rezeption wird dann nur in langen Zeiträumen und in je unterschiedlicher Weise und Bedeutung vorankommen. Es ist nicht überraschend, dass die Formen, welche die katholische Kirche während des zweiten Jahrtausends angenommen hatte, starre Hindernisse bilden werden. Die Absicht Roms, das Konzil in gelenkter und kontrollierter Weise zu konkretisieren, hat sich bereits als unangemessen erwiesen.“
Auszug aus: Giuseppe Alberigo: ,„Ein epochaler Übergang?“, in: Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, Bd.V, Ostfildern 2008, 655 – 741, S. 735 f.