Am 24.11. 2013 hat Papst Franziskus sein apostolisches Lehrschreiben Evangelii Gaudium veröffentlicht. Es hat zu heftigen Diskussionen geführt: In der Süddeutschen Zeitung, in der FAZ hat man vor allem seine deutliche Kapitalismuskritik ins Visier genommen; „Diese Wirtschaft tötet“ heißt es in seinem jetzigen Schreiben. Kein Wunder also, dass es Kritik hagelt.
Mindestens genauso interessant wie die Reaktion der herrschenden Presse ist aber auch das breite Schweigen in der katholischen Kirche. Das päpstliche Lehrschreiben redet nämlich über weite Teile gar nicht von der Notwendigkeit einer Umkehr in wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Hinsicht, er setzt diese Kritik am Kapitalismus einfach durchgängig voraus.
Das Lehrschreiben redet in erster Linie von einer Umkehr der Kirche selbst und spricht von einer Kirche „im Aufbruch“, von einer Kirche, deren Paradigma „missionarisches Handeln“ ist und die evangelisiert: „Die evangelisierende Gemeinde stellt sich durch Werke und Gesten in das Alltagsleben der anderen, verkürzt die Distanzen, erniedrigt sich nötigenfalls bis zur Demütigung und nimmt das menschliche Leben an, indem sie im Volk mit dem leidenden Leib Christi in Berührung kommt.“ Hier wird übrigens auch seine Nähe zur Befreiungstheologie deutlich.
Das ist, so Papst Franziskus der Sinn jeder kirchlicher Struktur, daraufhin hat sich die Gemeinschaft der Nachfolgenden zu organisieren. Kein Wunder, dass bundesdeutscher Klerus und Episkopat sich in vornehmer Zurückhaltung üben.
Franziskus versteht sein Schreiben als programmatisch. Er geht in seinen Vorstellungen weit über alles hinaus, was seit dem zweiten Vatikanum an Reformvorstellungen diskutiert worden ist. Aber das II. Vatikanum, die Würzburger Synode, die Bischofsversammlung von Medellín waren Ereignisse, Evangelii Gaudium ist ein Text, Text eines Papstes, der vermutlich in Rom, aber auch sonst in der Kirche nicht nur Freunde hat. Was bedeutet uns dieser Text, was bedeutet uns diese Kirche? Was bedeutet diese Kirche überhaupt noch?
Wir stellen deshalb in den folgenden Wochen das ca. 250 Seiten starke Papier hier auf unserer Webseite Stück für Stück vor: Eingeleitet mit einer Zusammenfassung und einem Kommentar ganz unterschiedlicher Menschen, daneben der Text. Wir hoffen auf diese Weise, das Schreiben des Papstes in die Diskussion zu bringen.