Auf dem Weg zu einer wahrhaft universalen „katholischen“ Kirche

Um anzudeuten, was das II. Vatikanische Konzil unter „Universalität“ und „Katholizität“ verstanden hat, haben wir im folgenden einige Textstellen aus den Beschlüssen des Konzils zusammengestellt. Wir betrachten dies als einen Beitrag zur „subversiven Erinnerung“ des Konzils.

Lumen gentium 13: Gottes Volk

Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen gerufen. […] Alle über den Erdkreis hin verstreuten Gläubigen stehen mit den übrigen im Heiligen Geiste in Gemeinschaft, und so weiß „der, welcher zu Rom wohnt, daß die Inder seine Glieder sind“. Da aber das Reich Christi nicht von dieser Welt ist (vgl. Joh 18,36), so entzieht die Kirche oder das Gottesvolk mit der Verwirklichung dieses Reiches nichts dem zeitlichen Wohl irgendeines Volkes. Vielmehr fördert und übernimmt es Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind.

Vgl. dazu auch GS 76: In der Treue zum Evangelium, gebunden an ihre Sendung in der Welt und entsprechend ihrem Auftrag, alles Wahre, Gute und Schöne in der menschlichen Gemeinschaft zu fördern und zu überhöhen, festigt die Kirche zur Ehre Gottes den Frieden unter den Menschen.


Lumen gentium Nr. 16: Juden, Muslime, Gottsuchende

Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, sind auf das Gottesvolk auf verschiedene Weise hingeordnet. In erster Linie jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist (vgl. Röm 9,4-5), dieses seiner Erwählung nach um der Väter willen so teure Volk: die Gaben und Berufung Gottes nämlich sind ohne Reue (vgl. Röm 11,28-29). Der Heilswille umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird. Aber auch den anderen, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen, auch solchen ist Gott nicht ferne, da er allen Leben und Atem und alles gibt (vgl. Apg 17,25-28) und als Erlöser will, daß alle Menschen gerettet werden (vgl. 1 Tim 2,4). Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen. Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen das zum Heil Notwendige nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind, jedoch, nicht ohne die göttliche Gnade, ein rechtes Leben zu führen sich bemühen. Was sich nämlich an Gutem und Wahrem bei ihnen findet, wird von der Kirche als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als Gabe dessen geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe.


Lumen gentium Nr. 17: Das Gute in Herz und Geist der Menschen

[Die Verkündigung der Frohbotschaft] bewirkt, daß aller Same des Guten, der sich in Herz und Geist der Menschen oder in den eigenen Riten und Kulturen der Völker findet, nicht nur nicht untergehe, sondern geheilt, erhoben und vollendet werde zur Ehre Gottes, zur Beschämung des Teufels und zur Seligkeit des Menschen.


Ad gentes Nr. 8: An keine Rasse oder Nation gebunden

Christus und die Kirche, die von ihm durch die Predigt des Evangeliums Zeugnis gibt, überschreiten alle Besonderheit der Rasse oder der Nation und können deshalb von niemand und nirgendwo als fremd erachtet werden.


Ad gentes Nr. 9: Offen für die Riten und Kulturen der Völker

Was an Gutem in Herz und Sinn der Menschen oder auch in den jeweiligen Riten und Kulturen der Völker keimhaft angelegt sich findet, wird folglich nicht bloß nicht zerstört, sondern gesund gemacht, über sich hinausgehoben und vollendet zur Herrlichkeit Gottes, zur Beschämung des Satans und zur Seligkeit des Menschen.


Ad gentes Nr. 10: Das Inkarnationsprinzip der Kirche

Um allen Menschen das Geheimnis des Heils und das von Gott kommende Leben anbieten zu können, muß sich die Kirche all diesen Gruppen einpflanzen, und zwar mit dem gleichen Antrieb, wie sich Christus selbst in der Menschwerdung von der konkreten sozialen und kulturellen Welt der Menschen einschließen ließ, unter denen er lebte.


Ad gentes Nr. 11: In Achtung und Liebe

Um dieses Zeugnis Christi mit Frucht geben zu können, müssen sie diesen Menschen in Achtung und Liebe verbunden sein. Sie müssen sich als Glieder der Menschengruppe, in der sie leben, betrachten; durch die verschiedenen Beziehungen und Geschäfte des menschlichen Lebens müssen sie an den kulturellen und sozialen Angelegenheiten teilnehmen. Sie müssen auch mit ihren nationalen und religiösen Traditionen vertraut sein; mit Freude und Ehrfurcht sollen sie die Saatkörner des Wortes aufspüren, die in ihnen verborgen sind. Sie sollen aber auch den tiefgreifenden Wandlungsprozeß wahrnehmen, der sich in diesen Völkern vollzieht.


Ad gentes Nr. 22: Alle Schätze der Völker

In der Tat nehmen die jungen Kirchen, verwurzelt in Christus, gebaut auf das Fundament der Apostel, nach Art der Heilsordnung der Fleischwerdung in diesen wunderbaren Tausch alle Schätze der Völker hinein, die Christus zum Erbe gegeben sind. Aus Brauchtum und Tradition ihrer Völker, aus Weisheit und Wissen, aus Kunststil und Fertigkeit entlehnen sie alles, was beitragen kann, die Ehre des Schöpfers zu preisen, die Gnade des Erlösers zu verherrlichen, das Christenleben recht zu gestalten.


Sacrosanctum Concilium Nr. 37: Keine starre Einheitlichkeit

In den Dingen, die den Glauben oder das Allgemeinwohl nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit der Form zur Pflicht zu machen, nicht einmal in ihrem Gottesdienst; im Gegenteil pflegt und fördert sie das glanzvolle geistige Erbe der verschiedenen Stämme und Völker; was im Brauchtum der Völker nicht unlöslich mit Aberglauben und Irrtum verflochten ist, das wägt sie wohlwollend ab, und wenn sie kann, sucht sie es voll und ganz zu erhalten. Ja, zuweilen gewährt sie ihm Einlaß in die Liturgie selbst.


Sacrosanctum Concilium Nr. 123: An keinen Stil gebunden

Die Kirche hat niemals einen Stil als ihren eigenen betrachtet, sondern hat je nach Eigenart und Lebensbedingungen der Völker und nach den Erfordernissen der verschiedenen Riten die Sonderart eines jeden Zeitalters zugelassen und so im Laufe der Jahrhunderte einen Schatz zusammengetragen, der mit aller Sorge zu hüten ist.


Gaudium et spes Nr. 42: An kein System gebunden

Da sie weiterhin kraft ihrer Sendung und Natur an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden ist, kann die Kirche kraft dieser ihrer Universalität ein ganz enges Band zwischen den verschiedenen menschlichen Gemeinschaften und Nationen bilden.


Gaudium et spes Nr. 44: Angepasste Verkündigung

Von Beginn ihrer Geschichte an hat [die Kirche] gelernt, die Botschaft Christi in der Vorstellungswelt und Sprache der verschiedenen Völker auszusagen und darüber hinaus diese Botschaft mit Hilfe der Weisheit der Philosophen zu verdeutlichen, um so das Evangelium sowohl dem Verständnis aller als auch berechtigten Ansprüchen der Gebildeten angemessen zu verkünden. Diese in diesem Sinne angepaßte Verkündigung des geoffenbarten Wortes muß ein Gesetz aller Evangelisation bleiben.


Gaudium et spes Nr. 58: An keine Rasse, Nation oder Sitte gebunden

Gott hat in der Offenbarung an sein Volk bis zu seiner vollen Selbstkundgabe im fleischgewordenen Sohn entsprechend der den verschiedenen Zeiten eigenen Kultur gesprochen. In gleicher Weise nimmt die Kirche, die im Lauf der Zeit in je verschiedener Umwelt lebt, die Errungenschaften der einzelnen Kulturen in Gebrauch, um die Botschaft Christi in ihrer Verkündigung bei allen Völkern zu verbreiten und zu erklären, um sie zu erforschen und tiefer zu verstehen, um sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen besser Gestalt werden zu lassen. Zugleich ist die Kirche wohl zu allen Völkern, we1cher Zeit und welchen Landes auch immer, gesandt, jedoch an keine Rasse oder Nation, an keine besondere Art der Sitte, an keinen alten oder neuen Brauch ausschließlich und unlösbar gebunden.


Gaudium et spes Nr. 45: Das Ziel der Kirche: Gottes Reich

Während sie selbst der Welt hilft oder von dieser vieles empfängt, strebt die Kirche nach dem einen Ziel, nach der Ankunft des Reiches Gottes und der Verwirklichung des Heiles der ganzen Menschheit. Alles aber, was das Volk Gottes in der Zeit seiner irdischen Pilgerschaft der Menschenfamilie an Gutem mitteilen kann, kommt letztlich daher, daß die Kirche das „allumfassende Sakrament des Heiles“ ist, welches das Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen zugleich offenbart und verwirklicht. Gottes Wort, durch das alles geschaffen ist, ist selbst Fleisch geworden, um in vollkommenem Menschsein alle zu retten und das All zusammenzufassen. Der Herr ist das Ziel der menschlichen Geschichte, der Punkt, auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte.