Kardinal Müller hat großen Verlautbarungsbedarf. Neben dem am Ostersonntag in der „Welt am Sonntag“ erschienenen Interview über die „Wahrheit“ hatte er acht Tage zuvor bereits der französischen Zeitschrift „La Croix“ ein Interview gegeben, zwei weitere Veröffentlichungen in der Reihe der vielen öffentlichen Stellungnahmen, die er in letzter Zeit abgegeben hat. Offenbar empfindet er große Sorge, dass die Kirche „in der Wahrheit Christi bleiben“ muss, aber nicht bleiben wird, wenn er nicht eingreift. Seine Medien-Offensive hat ein rechthaberisches Geschmäckle..
Im Interview mit der französischen Zeitschrift „La Croix“ am 29. März 2015 (http://www.la-croix.com/Religion/Actualite/Cardinal-Gerhard-Ludwig-Mueller-La-mission-du-pape-est-d-unifier-le-monde-2015-03-29-1296678) legt Müller eine neue Doktrin für die Glaubenskongregation vor. Darauf macht der Vatikankenner Andrea Tornielli aufmerksam, (http://vaticaninsider.lastampa.it/es/vaticano/dettagliospain/articolo/mueller-francesco-40243/) wenn er Müller mit der Bemerkung zitiert: „Dass ein Theologe wie Benedikt XVI. die Kathedra Petri besteigt, ist vermutlich eine Ausnahme. Johannes XXIII. war kein hauptamtlicher Theologe. Papst Franziskus ist auch mehr Pastor. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat die Aufgabe, das Pontifikat theologisch zu strukturieren.“
Von einer solchen Mission war in bisherigen Aufgabenkatalogen nichts zu lesen. Nach der bisher noch gültigen apostolischen Konstitution „Pastor bonus“ von 1988 ist die Aufgabe der Glaubenskongregation so beschrieben: „Die besondere Aufgabe der Kongregation für die Glaubenslehre ist es, die Lehre über Glaube und Sitten auf dem ganzen katholischen Erdkreis zu fördern und zu schützen; ferner kommt ihr alles zu, was diese Materie in irgendeiner Weise berührt.“ (Art 48). Vielleicht interpretiert Müller diesen letzten Halbsatz als Freibrief für seine Doktrin.
Papst Franziskus aber sagt etwas anderes: Am Ende der Sondersynode im vergangenen Oktober hatte Papst Franziskus vor den Bischöfen noch erklärt, dass „die Synode cum Petro et sub Petro (mit Petrus und unter der Leitung Petri) verläuft, und die Anwesenheit des Papstes ist für das alles Garantie. Die Aufgabe des Papstes ist es nämlich, die Einheit der Kirche zu garantieren; es ist seine Aufgabe, alle Gläubigen an ihre Pflicht zu erinnern, treu dem Evangelium Christi zu folgen; es ist seine Aufgabe, die Hirten daran zu erinnern, dass es ihre wichtigste Aufgabe ist, die Herde zu hüten, die der Herr ihnen anvertraut hat und die verirrten Schafe zu suchen und willkommen zu heißen, in Väterlichkeit, Barmherzigkeit und ohne falsche Angst. […] Der Papst ist in diesem Sinn nicht der oberste Herr sondern vielmehr der oberste Diener, der Diener der Diener Gottes; er ist der Garant des Gehorsams, der Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, mit dem Evangelium Christi und der Tradition der Kirche. Jede persönliche Willkür beiseite lassend ist er dem Willen Christi gemäß der „oberste Hirte und Lehrer alle Gläubigen“ (CIC 749), dazu hat er „die volle ordentliche Autorität, die oberste, volle, unmittelbare und universale in der Kirche“ (CIC 331-334).
Eine „Müller-Doktrin“, nach der Müller die Aufgabe hätte, „das Pontifikat theologisch zu strukturieren“, hat in der Kirche keinen Platz!
Norbert Arntz, ITP Münster/Kleve