Vom 9. bis 12. September 2013 haben wir uns als internationales „Collège de Brousse“ in Beuggen/Rheinfelden (Südbaden) versammelt und zum Thema „Kapitalismus als Religion“ gearbeitet.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist – wie Papst Franziskus zu Recht sagt – Ausdruck einer tiefen anthropologischen Krise, weil dem Menschen der Primat verweigert wird! „Wir haben neue Götzen geschaffen. Die Anbetung des alten goldenen Kalbes (vgl. Ex 32,15–34) hat ein neues und grausames Bild gefunden im Fetischismus des Geldes“. (Ansprache vom. 16. Mai 2013)
Diese Situation ist weder schicksalhaft noch naturgegeben. Die Verhältnisse lassen sich ändern, indem wir beginnen, unsere Art zu leben und zu wirtschaften zu verändern und an einer Welt zu arbeiten, in der alle Platz haben und die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Eine Reihe von Gruppen und Organisationen haben damit bereits begonnen.
Wir stellen fest, dass die Befreiungstheologie lebendig und aktiv geblieben ist, und zwar im Gegensatz zu den Versuchen des herrschenden Denkens und der traditionellen Theologie, sie zu verurteilen oder gar für tot zu erklären. Die Theologie der Befreiung ist historischkontextuell und formuliert sich jeweils in anderen Befreiungsprozessen neu, und zwar durch jene, die sich als Subjekte solcher Befreiungsprozesse verstehen und engagieren: diskriminierte Frauen, unterdrückte Völker alter Kulturen, empörte junge Leute, misshandelte Migrantinnen und Migranten.
Die Befreiungstheologie ist eine Theologie des Lebens, die die Arm- Gemachten und Ausgeschlossenen, die vor der Zeit sterben, verteidigt. Sie macht sich die Worte des Jesus von Nazareth zu eigen: „Ich bin dazu da, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Sie fordert dazu auf, den Gott des Lebens in den Opfern der kapitalistischen Verhältnisse und den Gekreuzigten der Erde zu erkennen. Dies ist die grundlegende Aufgabe aller christlichen Kirchen.
Deshalb unterstützen wir die Erklärung, die der 33. Kongress für Theologie in Madrid unter dem Thema „Befreiungstheologie heute“ am 8. September 2013 veröffentlicht hat. Mit dem Kongress fordern wir vom Vatikan die Aussetzung aller Sanktionen gegen Theologinnen und Theologen, die, insbesondere unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gemaßregelt und zensuriert wurden oder denen die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde. Von dieser Art Maßnahmen waren häufig solche Theologinnen und Theologen betroffen, die sich dem II. Vatikanischen Konzil verpflichtet wussten. Wir haben sie nie ausgeschlossen. Viele von ihnen waren und sind unsere theologischen und spirituellen Begleiter. Wir erwarten vom Vatikan, diese Theologinnen und Theologen zu rehabilitieren. Daran würde sichtbar, wie tiefgreifend die begonnene Reform der Kirche ist und ob sie sich als arme Kirche von der Option für die Armen leiten lässt. Im Blick auf die Zukunft verlangen wir, dass auch innerhalb der Kirche die grundlegenden Menschenrechte beachtet werden: die Freiheit des Denkens, des Forschens und der Kommunikation. Menschenwürdige Verfahren müssen den Umgang mit Konflikten bestimmen. Mit Bischof Pedro Casaldáliga sagen wir, dass alles relativ ist, auch die Theologie; absolut sind nur der Hunger und der Gott des Lebens.
Beuggen, 12. September 2013 – für das Collège de Brousse
Norbert Arntz, Theologe, Triftstr. 53. D-47533 Kleve
Dr. Urs Eigenmann, Theologe, Ulmenstr. 8, CH-6003 Luzern
Maria Klemm, Theologin, Im Baumgarten 7, CH-4302 Augst